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Beitrag vom 09.09.2004
Der Untergang
Julia Rohrbeck
Deutschland sitzt im Kinosessel, wird hineingesogen in die letzten Kriegstage und bekommt Gänsehaut. Ein mutiger, fesselnder Film mit interessanten Episoden. Doch ist er historisch korrekt?
"Es ist wie ein Traum, aus dem man aufwachen möchte, aber man kann nicht", das sind die Worte von Traudl Junge. Alexandra Maria Lara brilliert in der Rolle von Hitlers Privatsekretärin, die ihn bis zum Ende nicht im Stich lassen will.
Berlin, April 1945: Die Rote Armee ist bis in die Hauptstadt vorgerückt, der Häuserkampf tobt. Hitler (Bruno Ganz) und seine engsten Vertrauten erleben den Untergang des Dritten Reiches im Führerbunker der Reichskanzlei.
Hitler weigert sich, das umkämpfte Stadtzentrum zu verlassen, um, wie es sein Architekt Albert Speer (Heino Ferch) ausdrückt, "auf der Bühne zu stehen, wenn der Vorhang fällt". Während Berlin einem Trümmerfeld gleicht und letzte, zerschlagene Einheiten sich Straßenkämpfe liefern, versuchen Ärzte um Dr. Schenk (Christian Berkel), das Leid der Zivilbevölkerung und der Soldaten zu lindern.
Das Publikum erlebt währenddessen die letzten Anweisungen Hitlers, der seiner treuen Sekretärin Traudl sein politisches Testament diktiert.
Es ist ein deutscher Film, der sich mit den letzten Tagen des Hitlerregimes auseinandersetzt. Deutsche SchauspielerInnen, deutscher Regisseur - sie erzählen und versuchen, ohne Vorurteile, Zynismus oder den erhobenen Zeigefinger mit der deutschen Geschichte umzugehen - das macht diesen Film so spannend.
"Der Untergang" konzentriert sich auf die Führungsspitze des Nazi-Regimes und versucht, die einzelnen Charaktere, darunter u.a. Traudl Junge, Joseph Goebbels (Ulrich Matthes) und seine Frau Magda (Corinna Harfouch), Eva Braun (Juliane Köhler) und Heinrich Himmler (Ulrich Noethen) zu porträtieren.
Die Sicht aus der Täterperspektive ist hervorragend gelungen, nur fehlt dem Film ein umfassenderes Bild. Denn wer waren die nationalsozialistischen Herren mit den korrekten Uniformen voller Abzeichen? Wohl nicht nur, wie dargestellt, kommandierende Schreihälse und trinkfreudige Offiziere... kaum ein Wort über den Rassenwahn, die Shoah oder die Konzentrationslager.
Werden, besonders den jungen, noch unbelesenen KinobesucherInnen, falsche Tatsachen untergejubelt?
Hingegen versucht Regisseur Oliver Hirschbiegel, die "Manifestation des Irrsinns" beispielsweise in der Ermordung der sechs Goebbels-Kinder zu zeigen, denn Magda Goebbels will ihre Kinder nicht in einer Welt ohne Nationalsozialismus aufwachsen sehen. In einer langen Szene verabreicht die Mutter ihnen die tödlichen Zyankali-Kapseln.
Ausgangspunkt für den Film war für das Buch "Der Untergang" von Joachim Fest.
Produzent Bernd Eichinger: "Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir unsere Geschichte mit den Mitteln, die wir haben, selber erzählen und den Mut aufbringen, in dieser Erzählung auch endlich die Hauptdarsteller auf die Leinwand zu bringen".
Wenigstens schließt der Film mit einer selbstkritischen Anmerkung Traudl Junges ab: Warum war sie damals so blind und naiv, während die fast gleichalte Münchnerin Sophie Scholl das Ausmaß von Hitlers Verbrechen längst erkannt hatte und als Widerstandskämpferin ermordet wurde?
AVIVA-Tipp: Die etwas andere und leider zu einseitige und unkritische Perspektive auf den "Untergang": Vor allem das Staraufgebot gibt dem Film seinen Reiz, die HauptdarstellerInnen überzeugen allesamt, besonders Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara und Juliane Köhler agieren geschickt in ihren anspruchsvollen Rollen.
Der Untergang
Regie: Oliver Hirschbiegel
Produzent: Bernd Eichinger
DarstellerInnen: Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch, Christian Berkel, Ulrich Noethen u.v.a.
Länge: 150 Min
Kinostart: 16.09.04
Freigegeben ab 12 Jahren
www.untergang.film.de